Allgemein, Zukunft der Medien
Präsentation der Software der Firma VIDIGO
Präsentation der Software der Firma VIDIGO (Foto: Deutschlandradio/Bittner)
10.02.2015

Visual Radio Steuerung – Ein Beispiel

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Deutsche-Welle-Gebäude in Bonn, Februar 2015. Eine niederländische Software-Firma stellt ihr Produkt vor. Sehr vereinfacht gesagt, steuert die Software vorhandene Kameras in Moderations-Studios, Diskussionsrunden, Konferenzen – you name it. Das geht manuell, semi-automatisch oder ganz automatisch mit Makros. Aber so einfach wie es klingt – aber lesen Sie selbst …

Harold Everts baut zunächst ein Monitor-Cockpit auf. Das System inklusive Cockpit passt in eine etwa ein Kubikmeter große Transportbox. Die Steuerung der Software erfolgt über PC oder Notebook oder ein optionales, tragbares Regiepult. Er schließt auch zwei (Konferenz-)Kameras an das System an. Wer es ausführlich haben möchte: Auf der Hersteller-Webseite gibt es ein Webinar von 35 Minuten Länge zur Funktionsweise des Systems, das auch unten in diesem Beitrag abzurufen ist.

Harold kann die angeschlossenen Kameras manuell steuern, er kann Bildausschnitte festlegen und für One-Klick-Abruf speichern, er kann Grafiken und Laufbänder einblenden nach Belieben.

Noch während der Sendung – ob nun im Fernsehstudio oder beispielsweise im Moderationsstudio eines Radiosenders – können beliebige Quellen von „Draußen“ mit eingebunden werden=ins laufende Live-Bild gesetzt werden – ob ein YouTube oder Vimeo-Video, eigenproduzierte Video- oder Audioeinspieler, vorgefertige Grafiken oder Google Maps. Auch das grafische Einbinden von Tweets zum Nachlesen im laufenden Bild ist möglich.

 

Visual Radio Tweet-Einblendung - Tweets, Posts. E-Mails ins Studio - alles ins Bild integrierbar (Foto: Deutschlandradio/Bittner)

Tweets, Posts. E-Mails ins Studio – alles ins Bild integrierbar (Foto: Deutschlandradio/Bittner)

Klingt etwas kompliziert, obwohl es doch so leicht sein soll?

Ist es aus meiner Sicht auch. Denn das System muss eingerichtet, Bildausschnitte und automatische Abfolge von Ausschnitten, Einblendungen samt Texten, etc. auf Makros gelegt werden. Wenn das alles gemacht ist, kann man allerdings per Knopfdruck oder Mausklick einen bestimmten Bildausschnitt oder Kamera wählen – auch Moderatorin oder Moderator selbst. Ausnahme bei den Tweets und Posts – hier muss ein zusätzlicher Social-Media-RedakteurIn die Tweets auswählen und manuell ins System speisen. Gefunden werden Tweets per Hashtag beispielsweise von Tweetern im Umkreis von 20 km ums Studio. Oder man kreiert seinen eigenen Hashtag und sammelt.

Die Sache mit dem Ton bei vielen Menschen im Studio

Das System hat eine Audioerkennungssoftware, deren Sensitivität eingestellt werden kann („Threshold“ des Audiosignals vom Mikrofon). Jeder Gast bekommt ein Mikrofon und eine Kamera zugeordnet (beispielsweise bei einer unserer Diskussions- und Gespräch-Sendungen), das System erkennt, wer gerade spricht und schaltet auf  die Kamera, die auf den Sprecher gerichtet ist. Sprechen alle gleichzeitig, kann die Software wahlweise automatisch die Kamera der Moderatorin schalten oder in die Totale springen, um alle zu zeigen. All das setzt voraus, dass die Kameras im Vorfeld sinnvoll platziert wurden. Bei der Vorstellung in Bonn wurden Konferenzkameras genutzt, die sich vom PC/Notebook/Mischpult drehen und schwenken lassen.

Wohin mit dem fertigen Bild?

Das System bietet keine Streamingmöglichkeit an. Es gibt das fertige Bild samt Grafiken und Audio aus. Wir müssten das Ganze auf einen Streamingserver leiten und von dort online zur Verfügung stellen.

Für welche Sendungen kommt das bei uns infrage?

Für die Ein-Frau-Moderation im Studio sicher nicht. Wer will stundenlang einer radiomachenden Moderatorin/einem Moderator zusehen? Bei Diskussionsrunden mit Gästen, dem Interview der Woche oder auf Veranstaltungen schon eher. Wenn Clueso bei Corso reinschneit. Bei DRadio Wissen im Studio. Auf dem „blauen sofa“ von Deutschlandradio Kultur. Von der Berlinale. Ein gänzlich  neues, online-only Radioformat des Deutschlandfunks/Deutschlandradio Kultur/DRadio Wissen.

Aber wir machen doch Radio und nicht Fernsehen?

Stimmt. Das eine schließt das andere aber nicht ganz aus. Junge Menschen konsumieren anders. Live-Bewegtbild kann einen Mehrwert bieten und eine jüngere Zielgruppe locken. Die Fortgeschrittenen unter uns könnten sich für den Gesichtsausdruck des Interviewpartners beim Interview der Woche interessieren. Eines Tages wird es selbstfahrende Autos geben mit hochauflösenden Monitoren. Werden die Menschen dann Radio hören oder sehen oder lieber doch Fernsehen gucken auf dem Weg zur Arbeit?

Wer benutzt das System?

SWR3, DasDing und der niederländische Sender 538 sind Beispiele.

Das Webinar zum System:

 


Der Autor ist in keiner Weise mit der hier genannten Firma „Vidigo“ involviert. Die Vorstellung der Software wurde arrangiert von den Kollegen der Deutschen Welle in Bonn, die die Möglichkeiten eines semi-automatisierten bis vollautomatisierten TV- und Radio-Betriebs ausloten. Die Software wurde vor einigen Jahren auch bei uns im Haus vorgestellt.