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Geschichten erzählen für Kinder (Foto: Totalesl.com)
03.07.2015

Storytelling – wie und womit?

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Wer sich als zeitgemäßes Medienhaus sieht, redet derzeit gern über Storytelling. „Hast du schon gesehen…“, beginnen diese Runden oft. Oder auch: „Wow, das müssen wir auch machen!“ Ich darf verraten, bei uns ist es ähnlich. Vier Fragen:

Als Storytelling wird gemeinhin verstanden, dass Geschichten im Netz nicht nur mit Text, Links und Bildern erzählt werden, auch Audios und vor allem Filme tauchen im Erzählstrang auf. Das ist zeitlich weitaus aufwändiger, kann die Menschen jedoch intensiver ansprechen und umfassender informieren. Jedoch:

– 1. Umfang: Können wir als Deutschlandradio regelmäßig Multimedia-Projekte (Audios, Filme, Bilder, Texte) produzieren, die mit den großen Medienhäusern mithalten? Oder geht es auch eine Nummer kleiner, fokussieren wir uns auf unsere akustischen Kompetenzen und schaffen trotzdem ein neues Erzählformat für unsere Nutzung im Netz?

– 2. Themen: Was eignet sich fürs das Storytelling? Welcher Vorlauf wird benötigt für Videobearbeitung usw.? Wie stehen wir zum tagesaktuellen Storytelling: Drei aktuelle Berichte, ein Video-Interview und ein paar Fotos ansprechend präsentiert – schafft das einen Mehrwert?

– 3. Organisatorisch: Bisher findet Storytelling immer auf einer von der Hauptseite separaten Internetadresse statt. Das bringt viele Freiheiten, schafft aber auch Probleme. Gibt es einen Weg, wie Beides in Einklang gebracht werden kann?

– 4. Technik und Gestaltung: Was ist das passende Storytelling-Tool?

 

Dazu liefert Marvin Oppong auf torial eine gute Übersicht über gängige Werkzeuge.

Ein Name taucht natürlich auf: Pageflow. Auch wir haben im Deutschlandradio schon einige Erfahrungen damit gesammelt: Unsere Pageflows auf deutschlandfunk.de und deutschlandradiokultur.de.

Der Bayrische Rundfunk setzt vor allem auf Linius. Auch wir testen dieses Tool derzeit. Es wirkt von der Benutzbarkeit flüssiger und aufgeräumter. Die Funktionalitäten sind ähnlich. Eindrucksvoll ist die Web-Doku „Das Oktoberfest-Attentat„. Beim Betrachten habe ich aber spontan das Gefühl: Ich will den Film jetzt komplett sehen und mich nicht mühsam durch die Einzelteile navigieren. Der Text erhält kaum Aufmerksamkeit, ich will die Videos! Das dürfte für die schreibenden Kollegen ein Nachteil sein.

Für sie wäre ein Blick in „Falsche Fans“ der Ruhrnachrichten sinnvoll. Erstellt mit Atavist. Das wirkt optisch etwas einfacher, textlastiger mit Infografiken und lässt sich auch auf mobilen Geräten gut konsumieren.

 

Nur was machen wir als Deutschlandradio? Sachdienliche Hinweise  bitte unten notieren. Danke!

 

Kommentare zu diesem Beitrag (2)

  1. Gerhard Großmann | 3. Juli 2015, 14:15 Uhr

    Beeindruckend opulent oder inhaltlich vielschichtig?

    Ich stehe Storytelling-Formaten bisher eher ablehnend gegenüber. Das Beispiel der Ruhr-Nachrichten fand ich allerdings gelungen. Die Geschichte bleibt im Vordergrund, zusätzliche Medien sind passend ausgewählt und bieten sich an der richtigen Stelle an – ohne automatisch loszulaufen oder die einzige Zugangsart zu sein. Wenn ich mir gerade weniger Zeit nehmen möchte, dann scrolle ich halt etwas schneller. Ich werde auch nicht visuell mit dekorativen Hintergrundbildern überfordert.

    Gut gefallen hat mir auch http://donottrack-doc.com/ – vielleicht weil ich hier von vornherein eine „Fernsehreportage“ erwartet habe und nicht eine „angereicherte Printreportage“.

    Was mich an den meisten Multimedia-Projekten nervt ist, dass sie schrecklich opulent daher kommen („Guck mal, wie beeindruckend wir sind“). Die Geschichte wird in lauter kleine Häppchen oder „Folien“ zerlegt (meist eine Bildschirmseite), bei der meine gewohnte Navigation nicht mehr funktioniert, weil ich automatisch an irgendwelche Scrollpunkte springe. Das macht es schwerer, die Geschichte in einem eigenen Tempo zu entdecken oder ihren Umfang abzuschätzen.

    Fragen, die ich in Bezug auf Audios beim Storytelling wichtig finde:

    • Was sind angemessene Längen einzelner Audiodateien innerhalb einer Story? (2 Minuten? Abhängig vom Inhalt auch mal 10 Sekunden oder 12 Minuten?)

    • Wie führe ich den Nutzer durch eine Geschichte, welche Texte muss ich als Brücke zwischen den Audios anbieten?

    • Können Fotos helfen, Bilder im Kopf entstehen zu lassen? Wie viel Bildanteil brauche ich wirklich? (zu viel lenkt meiner Meinung nach sehr von den Audios ab)

    • Welchen Mehrwert haben die Texte/Fotos gegenüber einem reinen Audio-Feature?

    • Inwieweit ist Interaktion mit Audios der Geschichte angemessen, zum Beispiel eigenes Mischen verschiedener Spuren, Dinge herausfiltern oder vergleichen?

    • Kann eine (mehr oder weniger dauerhafte) Soundatmo unaufdringlich integriert werden und ist das sinnvoll?

    Audio hat ja den Nachteil, dass man es nicht schnell überfliegen kann wie einen Text. Ich weiß als Hörer nicht, was mich erwartet und weil ich nichts von Inhalt sehe, kann ich schlecht innerhalb einer Audiodatei navigieren. Es ist zeitlich linear.

    Was brauche ich also, damit ein Hörer in eine Tondatei einsteigt? Muss ich aus einer großen Datei viele kleine, angeteaserte Schnippsel machen? Kann ich mit Sprungmarken arbeiten, so dass der Hörer die Gesamtdatei auch ohne Lesetexte anhören kann? Wie abhängig sollen Text, Bild und Ton voneinander sein? Könnte es ein Storytelling geben, in dem ich mich nur über Audio bewege, quasi blind? Und: Mit welcher Erwartung kommen die Besucher, wollen sie sich genau jetzt auf eine längere Geschichte einlassen?

    Das ist schon wieder so ein Blogpost, über den man viel besser im Gespräch diskutieren kann als per Kommentar. Weiß auch nicht, ob ich dazu eine repräsentative Durchschnittsmeinung habe, weil mich bisherige Storytelling-Sachen größtenteils abschrecken.

    • Andre Zantow | 3. Juli 2015, 14:54 Uhr

      Lieber Herr Großmann,
      in der Tat bietet sich ein Gespräch eher an, aber sie haben ja schon viele interessanten Punkte gebracht. Mir geht es auch oft so, dass eine opulente und umfangreiche Storytelling-Präsentation und Navigation eher abschreckt. An alle: Sind wir da repräsentativ oder nicht, was haltet Ihr bisher davon?

      Auf uns im Deutschlandradio bezogen, finde ich folgende Fragen von Ihnen zentral Herr Großmann: „Welchen Mehrwert haben Texte/Fotos gegenüber einem reinen Audio-Feature?“

      Bilder helfen schon zur Visualisierung, wenn sie nicht ablenken (sich bewegen), und weiterführende Links können Vertiefung ermöglichen. Texte sehe ich nicht zwingend notwendig für ein Radio-Feature – Namen von Personen und Institutionen schon. Und so ein Feature zu „zerhacken“ klingt für mich ebenfalls nicht nützlich, die Kapitel/Sprung-Marken sind dagegen sicherlich sinnvoll. Hier wäre Aufwand und Nutzen sicherlich im Einklang..