Radio21
Stephan Beuting während seines Vortrags.
Stephan Beuting während seines Vortrags.
05.10.2016

Erfahrungen aus der nicht-linearen Podcast-Welt

Von

Marietta Schwarz stellt in ihrem Vortrag ihren Podcast „Mutti und ich“ vor; Stephan Beuting beschreibt, wie „Der Anhalter“ entstanden ist. Viertausendherz ist ein Podcastlabel mit derzeit acht Formaten: Christian Conradi stellt es vor.

Marietta Schwarz ist Radiojournalisten und entwickelte die Idee für einen eigenen Podcast „Mutti und ich“: das Zwischenspiel zwischen ihr selbst und ihrer Mutter. „In der Küche hängt ein Kreuz und beim Essen wird gebetet“, so ein Ausschnitt aus dem Trailer. Jedes Muttileben ist einzigartig und der Blick der Tochter darauf auch, so ihre These. Ihre Erfahrung: Nachdem ein Trailer veröffentlicht wurde, habe sie sehr viele und sehr emotionales Feedback erhalten. Die Reaktion gab ihr das Gefühl, dass diese Idee trage.

Ihr sei bei der Entwicklung klar geworden, dass dies ein völlig anderes Arbeiten sie, als beim täglichen Radio. In der Radioarbeit würde extrem verdichtet, aber eine atmosphärische Verdichtung würde überhaupt nicht mehr beachtet. Bestimmten Inhalten müsse man mehr Raum geben, auch atmosphärischen Raum, sei eine Erkenntnis dieses Podcasts. Ein weiter wichtiger Punkt: Ihr sei auch wichtig, dass die Liebe zu dem Projekt sich visuell niederschlage. Deshalb habe sie für den Podcast auch eine Website erstellt.

Stephan Beuting stellt seine Podcast-Serie „Der Anhalter“ vor. Den Anhalter haben nämlich zwei Journalisten unabhängig getroffen. Und er habe behauptet, dass er nicht mehr lange zu leben habe. Und etwas Geld benötige. Die Dokuserie hinterfragt, was daran wahr ist und was nicht. Dabei sei Heinrich lange Zeit ein Phantom gewesen, sie hätten ihn lange Zeit nicht gefunden.

Was ist neu an diesem Ansatz? Es sei ein riesiges Konvolut an Geschichten herausgekommen, bei denen nie klar sei, was ist nun wahr ist und was nicht. Es habe sich die Frage der Strukturierung dieses Materials gestellt. Drei Akte mit einem Höhepunkt in der Mitte und mit einem Cliffhanger nach jeder Episode sei dafür das Schema gewesen. Dazu haben die Autoren ein Storyboard erstellt. Am Ende habe sich die Frage der Entschädigung für Heinrich, der sich als Psychatrieopfer sieht, gestellt. Und dabei habe auch die politische Entwicklung mitgespielt: Psychatrieopfer sollen nun entschädigt werden können.

Das sei alles klassische Journalistenarbeit, sie hätten dabei lauter „alte“ Sachen gemacht, wie Interviews führen, Transkription etc. Und eigentlich nichts Neues. Er habe sich gefragt, was sei daran neu? „Man empfindet es so, als sei man wirklich dabei“, sagte eine Freundin der Autoren. Heinrich sitzt sozusagen direkt neben einem. „Super, dass ihr euren Rechercheweg aufgezeigt hat“, sagte ein anderer Journalist. Eben mit allen Fehlwegen.

Christian Conradi sagt, dass Podcasts meistens One-Man-/One-Woman-Shows seien, gekennzeichnet von persönlichen Interesse. Durch diese Freiheit erhalte man eine Persönlichkeit, eine Authenzität, die im Radio nur schwer denkbar wären. Ein individueller Sound, kreatives Potenzial bieten so Podcasts.

Dann geht Conradi auf die Technik ein; und empfiehlt

  • Kapitelmarken
  • Downloadmöglichkeit diverser Audioformate
  • Embedded Episodes
  • Transkription der Inhalte (auch über Künstliche Intelligenz)
  • Visuelle und Social Media Teaser

Visual Radio sei wichtig, aber sie würden sich vor allem auf das Audio konzentrieren. Das heißt, für Facebook würden vorhandene Fotos verwendet und dann das Audio als Video auf Facebook veröffentlicht. Die Materialien dafür seien vorhanden und müssten nicht extra erstellt werden. Wichtig sei ihnen, dass man sofort erkenne, dass es sich um ein Audio handele. Sie seien von den Kapazitäten her nicht in der Lage, zu allem Videos zu filmen. Und selbst, wenn sie es könnten, wollten sie es auch nicht. „Es geht um das Audio“, sagt Conradi.

Interessant Aspekt dabei: O-Töne in englischer Sprache werden nicht übersetzt. Die Macher gehen davon aus, dass die Zielgruppe dafür groß genug ist, die nicht mehr unbedingt eine Übersetzung benötige.


Über die Referenten:

Marietta Schwarz, Foto: privat

Marietta Schwarz, Foto: privat

Marietta Schwarz Freie Radiojournalistin mit Architekturdiplom. Arbeitet seit ihrem Volontariat 2003/04 beim Deutschlandradio als Redakteurin, Autorin und Moderatorin im Bereich Kultur. Schwerpunkte sind Architektur+Design, Stadtentwicklung und Modernes Leben. 2016 produzierte sie ihren ersten freien Podcast „Mutti und ich“ über ihre 78-jährige Mutter.

Christian Conradi, Foto: privat

Christian Conradi, Foto: privat

Christian Conradi ist freier Journalist und Mitgründer des Podcast-Labels Viertausendhertz. Außerdem ist er als freier Autor, Redakteur und Moderator für Deutschlandradio und andere öffentlich-rechtliche Hörfunksender tätig.

Stephan Beuting, Foto: privat

Stephan Beuting, Foto: privat

Stephan Beuting macht heute vor allem deshalb Radio, weil es b) den zweiten Bildungsweg gibt und er a) nie ein guter Elektriker war. Studiert hat er Medienwissenschaften, Politische Wissenschaft und Geographie an der Universität Bonn, volontiert hat er beim Deutschlandradio. Dort ist er fast vollständig hängen geblieben und arbeiet seit 2010 überwiegend bei DRadio Wissen, als Autor, Moderator und Redakteur. Fast bedeutet, dass er manchmal auch für den WDR arbeitet und zwar für die Redaktionen Zeitzeichen und Politikum. Im Mai 2016 erschien die fünfteilige Doku-Serie „Der Anhalter“ (Tiefenblick, WDR 5), an der Stephan Beuting gemeinsam mit seinem Kollegen Sven Preger mehr als eineinhalb Jahre gearbeitet hat.

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