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10.04.2018

Goldene Zeiten für Radiomacher: Eindrücke von den Radiodays Europe 2018

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In diesem Jahr trafen sich die Radiomacher*innen in Wien und diskutierten dort unter dem Motto „The world is listening“ über Herausforderungen und Trends im europäischen und globalen Audiomarkt. Der Titel der Radiodays Europe 2018 ließ bereits eine selbstbewusste Haltung erahnen und so schaute man dann auch in den zahlreichen Sessions mit einem optimistischen Blick in die Zukunft.

Norwegen stellt analoges Radio ab: Eine Erfolgsgeschichte?

In der norwegischen Region Finnmark ging am 13.12.2017 eine (analoge) Ära zu ende. Der flächenmäßig größte Verwaltungsbezirk im Norden des Landes war die letzte Region, die die analoge Radioübertragung zugunsten des digitalen Nachfolgers DAB+ abstellte. Damit ist der technologische switch-off endgültig vollzogen und Norwegen das erste Land der Welt, das flächendeckend (99,7 % DAB-Abdeckung) digitales Radio sendet. Für die öffentlichen und kommerziellen Radiomacher des Landes ist dies eine Erfolgsgeschichte, die sie in Wien präsentierten. Um Radio weiterentwickeln zu können und die Bedürfnisse der Hörer*innen noch besser zu befriedigen, brauchte es diese Transformation, so der Verantwortliche der eigens gegründeten Gesellschaft Digitalradio Norge, Jorgen Torvmark. Die Zahl der wöchentlichen Hörer*innen bleibt stabil: Nach dem Switch verzeichnen die Sender 3.670.000 wöchentliche Hörer, verglichen mit 3.714.000 Hörern vor der Umstellung (https://radio.no/2018/02/norway-number-of-listeners-per-week-remains-stable-after-fm-switch-off/). Ein Nebeneffekt der neuen landesweiten Sendevielfalt ist übrigens ein leichter Rückgang des Marktanteils der fünf größten Radiostationen, da Hörer*innen nun auch kleinere Sender empfangen und hören.

„Liebe dein Publikum und gib ihm, was es sich wünscht.“ Norwegens Rundfunk hat seine Programmfamilie von fünf auf 15 vergrößert und erreicht damit 99,7% aller Bewohner*innen des Landes.

 

Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt NRK (nrk.no) nutzt die neue Übertragungstechnik für eine Ausdifferenzierung ihrer Programme. Bisher konnten die Hörer*innen landesweit nur drei NRK-Programme hören, nach dem Switch sind es 13 Stationen. Diese neue Vielfalt erlaubt es den Programmverantwortlichen nun, auch kleinere Zielgruppen besser anzusprechen. So wurde die Welle P1 „modernisiert“, um stärker als bisher junge Hörer*innen zu erreichen: „Nur wenn Hörer jung einsteigen, werden sie zu loyalen Hörern“, fasst der NRK-Radiochef Jon Branaes die Strategie zusammen. Damit bleibe man auch gegenüber Spotify und Apple Music relevant. Eine Modernisierung durfte allerdings ältere Hörer*innen nicht vergraulen und so wurde schon 2013 das Programm P1+ für die ältere Generation eingeführt. Eine Besonderheit des Programms ist, dass Moderationen nicht über Musik gesprochen werden, um die Verständlichkeit zu erleichtern. Das Programm kommt an und löste einen regelrechten Run der Silverager auf DAB-Radios aus, berichtet die Senderchefin Line Gevelt Andersen.

 

Wie hört die Welt in 10 Jahren?

Um es kurz zu machen: Nicht über DAB+. Das meint zumindest Ben Hammersley. Der Autor und Journalist ist sich sicher, dass die IP-gestützte Übertragungstechnik mit der nächsten Mobilfunkgeneration 5G das Rennen machen wird. Denn für ihn sind die Wearables das entscheidende Momentum. Besonders die drahtlosen Kopfhörer ermöglichen die Schaffung eines „dritten mentalen Raums“ zwischen Wohnung und Büro. Wer die heute Heranwachsenden sieht, kann sich leicht vorstellen, dass das Konzept des linearen Hörens bei dieser Generation keine Rolle mehr spielen wird. Schon jetzt bekommen sie bei den Streamingdiensten genau das, was ihnen gefällt oder gefallen könnte. Was nicht gefällt, wird übersprungen.

Für Ben Hammersley bietet die Mobilfunktechnik 5G mehr Vorteile als DAB+

Wie also begeistert man junge Menschen für das Medium? Die BBC beantwortet diese Frage für sich mit einer „Listen-Watch-Share“-Strategie. Beim BBC-Sender Radio 1 muss jeder Radiomacher auch Videos produzieren können. Denn nur wenn die Zielgruppe im Netz mit der Marke in Kontakt kommt, kommt sie zurück zum Radio. Neben einem Social-Media-Producer gibt es deshalb auch mehrere Visual Producer, die den Content für das Netz aufbereiten und so die Brücke zwischen On Air und Online schlagen. Daneben baut die BBC ihr Podcastangebot aus, das als weitere wichtige Säule im Digitalmix fungiert. Goldene Zeiten für das Radio, das man vielleicht besser durch das Wort Audio ersetzen sollte.

 

Podcast und Smartspeaker

Neue Zahlen zur Podcastnutzung in den USA brachte Tom Webster mit, der als Vice President für das Marktforschungsunternehmen Edison Research die Studie (https://www.slideshare.net/webby2001/infinite-dial-2018) erstellt hat. Dafür wurden im Januar und Februar 2018 2000 Menschen ab 12 Jahren telefonisch befragt. 44% der Befragten gaben an, schon einmal einen Podcast gehört zu haben, was einem Wachstum von 10% zum Vorjahr entspricht. Im letzten Monat haben 26% einen Podcast gehört. Schaut man sich die Nutzung von reinen Audioquellen an, entfallen allerdings nur 4% auf Podcasts. Die Mehrheit von 51% hört nach wie vor terrestrisch (AM und FM).

Tom Webster von Edison Research präsentiert die neuesten Zahlen aus der Studie „Infinite Dial“: 48% der Smartspeaker-Besitzer*innen hören Podasts und Informationsangebote

Die Marktforscher schauten sich auch die relativ neue Gerätekategorie der Smartspeaker an und stellten fest, dass diese schneller von den Konsumenten adaptiert werden, als dies bei der Einführung des Smartphones der Fall war. Eine Strategie für diesen Markt sei daher essentiell für jeden Anbieter von Audioinhalten. Damit bekommt das Küchenradio einen weiteren Konkurrenten, der um die knappen Ressourcen Zeit und Aufmerksamkeit buhlt – zumindest bei den 18-34-Jährigen, so die Studie. Im Auto dagegen bleibt das (lineare) Radio das dominierende Medium, auch wenn dort bereits 22% der Autofahrer ihren Lieblingspodcast hören.

 

Cilla Benkö vom schwedischen Radio blickt wie viele ihrer Kolleg*innen optimistisch in die Zukunft und sieht in der Digitalisierung enorme Chancen: „Der richtige Content, zur richtigen Zeit, für das richtige Publikum, auf der richtigen Plattform.“ Es ist eigentlich ganz einfach.