Allgemein, Konferenzen, Radio, Zukunft der Medien
I suck, I suck, I suck? Die Filmemacherin Bianca Giaever referiert über Inspiration durch Müßiggang
30.09.2016

Innovationen fürs Radio – Eindrücke vom MIZ Radio Innovation Day 2016

Von

Die Zukunft des Radios wird anhand von vier Themen verhandelt: Alles dreht sich um 3-D-Wiedergabestandards, Personalisierung, Big Data-Research und neue Erzählformen. Die anhaltend hohen Kosten für Breitbandempfang bringen indes neue Geschäftsmodelle hervor, wie das Radio-DNS Hybrid-Radio, das verlässliches UKW und DAB+-Broadcasting mit internetbasierten, weniger Highspeed-Volumen verschlingenden Personalisierungs-Tools verknüpft.

Wohin geht die Reise fürs Radio?

Wohin geht die Reise fürs Radio?

find – tag – skip – darum geht’s

Bei der Personalisierung von Programm geht die BBC derzeit mit dem Projekt BBC-Taster voran, einer Oberfläche, die es den Usern ermöglicht sich in Radioinhalte zu vertiefen oder sie wahlweise zu überspringen. So haben User in der Klassiksendung Essential Classics von BBC 3 die Möglichkeit Musikstücke zu skippen oder – wie auch Interviews mit Gesprächsgästen – in Gänze zu hören; auch in Reportage-Formaten werden inhaltliche Vertiefungen optisch getagged, so dass der User selbst entscheidet wie intensiv er ins Thema einsteigen möchte. Für die Macher erweist sich besonders die integrierte Feedback-Funktion von Vorteil, mittels derer Programminhalte direkt vom User bewertet und damit auch gesteuert werden können. Eine gute Idee, die allerdings in erster Linie für aufgezeichnete Sendungen praktikabel sein dürfte.

Listen to your listeners

Weniger das qualitative Hörerfeedback als vielmehr die quantitativ messbare Akzeptanz von Audioelementen steht beim dänischen Start-Up RadioAnalyzer im Mittelpunkt. Das Unternehmen hat sich auf die Vollerhebung und Auswertung von Streamingdaten spezialisiert und damit ein Medienforschungstools an den Start gebracht, das der klassischen Medien- und Musikakzeptanzforschung den Kampf ansagt. RadioAnalyzer visualisiert die Stundenuhr eines Senders, zeigt die für eine Stunde geplanten Songs wie auch die Wortelemente an und vergleicht anhand zweier Linien die Durchschnittsverweildauer aller Online-User des Programms in der zu analysierenden Sendestunde der vergangenen drei Monate mit der realen Online-Nutzung einer Radiostunde. Damit ist es möglich direkt nach einer Sendung Ausschaltimpulse von Online-Usern genau zu lokalisieren – ein an sich hilfreiches Tool zur strategischen Ausrichtung eines Programms, das allerdings einen angemessenen Umgang seitens der Programmverantwortlichen erfordert. Für ein Jugend- oder AC-Format mit homogenen, jüngeren Zielgruppen ist die Software sicher besser geeignet als für Formate, die mit komplexen heterogenen sowie älteren und damit weniger online-affinen Zielgruppen zu tun haben.

Thinking about radio as art

Die Radioszene bemüht sich aber auch anhaltend um neue Erzählformen, gleichzeitig werden Tools zum Prosuming entwickelt, die dem User Teilhabe am Radiocontent ermöglichen.

Das MIZ-geförderte Start-Up Storyfuse experimentiert zum Beispiel mit einer interaktiven Podcast-App, die einen Plot von den Usern auf unterschiedliche Weise in maximal drei verschiedenen Erzählsträngen weiterspinnen lässt. Wer mag das am Ende alles hören, mag man sich fragen.

Dann vielleicht lieber auf Kreative wie Bianca Giaever vertrauen, die witzige Podcasts für This American Life produziert und nebenbei Radiomacher zu unkonventionellen Herangehensweisen ermutigt: Denke Radio wie ein Künstler ist ihr Credo. Bist du Jazzmusiker oder Popproduzent? Lässt du die Story auf dich zukommen – was Improvisation in der medialen Ausführung zur Folge hätte- oder entwickelst du eine medial wirksame Idee, die in der Umsetzung genau geplant ist?

 

I suck, I suck, I suck? Die Filmemacherin Bianca Giaver referiert über Inspiration durch Müßiggang

I suck, I suck, I suck? Die Filmemacherin Bianca Giaever referiert über Inspiration durch Müßiggang

„Entwickle ein Gespür für persönliche Fragestellungen“, empfiehlt Giaever für das Generieren eigener Stories. Sie selbst habe sich zum Beispiel einmal gefragt: Kann die Kreativität eines 6-jährigen Kindes den Erfahrungsschatz eines Erwachsenen bereichern? „Um das rauszufinden musst du rausgehen und den Charakter finden, der dir die Geschichte dazu erzählt“, sagt Giaever. Für die Praxis rät Giaever sich erst um ein für das Radio funktionierenden Audiotrack zu kümmern, dann in den Perspektivwechsel zu gehen und erst im letzten Schritt am Visual zu arbeiten. Was bei Giaever dabei raus kommt, lässt sich kaum imitieren, macht aber definitiv Lust selbst auf die Suche nach neuen Erzählformen zu gehen.