Apps, Podcasts, Radio, Zukunft der Medien
23.03.2016

Don’t mention the Podcast

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Kannibalisieren digitale Verbreitungswege das lineare Radioprogramm? Beim renommierten US-Hörfunknetzwerk NPR tobt ein bizarrer Streit um die On-Air-Promotion für Apps und Podcasts.

Mit seinen Podcasts und der gefeierten App NPR One gilt das amerikanische Radionetzwerk National Public Radio als Motor für digitale Innovationen. Radiomacher aus aller Welt blicken mit einer gewissen Ehrfurcht auf die Arbeit der US-Kollegen. Doch ausgerechnet bei NPR wird nun eine Debatte geführt, die ziemlich antiquiert anmutet.

Auslöser war ein internes Papier, das vor ein paar Tagen ins Netz gelangt ist. Geschrieben hat es Christopher Turpin, NPRs Vizechef für den Newsbereich. In dem Schreiben geht es um Sprachregelungen für Moderatoren und um die Frage, wie im linearen Programm für die digitalen Verbreitungswege geworben wird.

„NPR One will not be promoted on the air“

Man könnte erwarten, dass NPR seine Hörer sehr offensiv auf diese Kanäle hinweist. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Turpin schreibt an die Mitarbeiter:

„We won’t tell people to actively download a podcast or where to find them. No mentions of npr.org, iTunes, Stitcher, NPR One, etc.“ Und weiter: „No NPR One: For now, NPR One will not be promoted on the air.“ Kurz: Bei der Bewerbung digitaler Verbreitungswege sollen sich die Moderatoren möglichst zurückhalten.

Was hat es mit dieser Anweisung auf sich? Kritiker vermuten: Die lokalen Sender im NPR-Netzwerk kämpfen hier um ihre Pfründe. Sie treibt die Sorge um, dass ihre lineare Hörerschaft schrumpft, wenn immer mehr Menschen Radioinhalte lieber via App oder Podcast hören. Dabei geht es natürlich auch ums Geld: Die Sender finanzieren sich über Spenden und Sponsoring. Weniger Hörer gleich weniger Cash – so die Befürchtung.

Was die Debatte für unsere Arbeit bedeutet

Christopher Turpin, der Autor des Memos, will dieser Sicht auf die Dinge etwas entgegensetzen und hat inzwischen eine Erläuterung nachgeliefert. Mit Blick auf eine mögliche Kannibalisierung der Ausspielwege sagt er: „This isn’t some kind of zero-sum game.“ Podcasts und lineares Programm hätten ohnehin ein unterschiedliches Publikum, daher könne man auf die offensive On-Air-Promotion digitaler Kanäle verzichten.

Was bedeutet diese Debatte für unsere Arbeit? Das NPR-Netzwerk in den USA und der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland sind in ihrer Struktur zu unterschiedlich, um direkte Vergleiche zu ziehen. Doch die Frage nach dem Verhältnis von On-Air-Programm und digitalen Verbreitungswegen bewegt natürlich auch uns.

Wie groß sind die Schnittmengen zwischen den Nutzern? Gibt es Kannibalisierungseffekte oder ist diese Sorge unbegründet? Auf diese Fragen haben wir noch keine detaillierten Antworten; für die Medienforschung bietet sich hier ein spannendes Feld.

Der digitale Wandel ist eine große Chance

Es dürfte jedoch keine zu gewagte Prognose sein, wenn wir behaupten: Das lineare Programm wird uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben, doch die Nutzung digitaler Verbreitungswege wird weiter stark zunehmen, vor allem auf mobilen Endgeräten.

Diese Entwicklung können wir als doppelte Chance begreifen: Erstens bieten wir unseren Stammhörern zusätzlich zum linearen Programm weitere Kanäle, auf denen sie unsere Inhalte finden. Und zweitens lässt sich im digitalen Raum ein neues und jüngeres Publikum erschließen, das mit unseren Programmen auf klassischen Wegen nicht in Berührung käme.

Der etwas unglückliche Versuch von NPR, die beiden Sphären zu trennen, zeigt uns, wie man es besser nicht machen sollte.

Kommentare zu diesem Beitrag (2)

  1. Tim Kuhlenbrecht | 8. September 2016, 16:56 Uhr

    NPR One als Vorbild

    Ich höre schon seit einiger Zeit sehr gerne das Programm von NPR One. Gleichzeitig nutze ich intensiv das umfangreiche Podcastangebot des Deutschlandradios, das mir manchmal schon *zu* umfangreich erscheint und ich den Überblick vor lauter spannenden Angeboten verliere. Könnte das Deutschlandradio nicht eine NPR-One-ähnliche App entwickeln, um das Programm auch gerade für »Podcast-Einsteiger« attraktiver zu machen?

    • Boris Bittner | 9. September 2016, 15:09 Uhr

      Lieber Herr Kuhlenbrecht,
      working on it – auch wir finden: Kuratieren ist eine gute Möglichkeit.
      Beste Grüße
      Boris Bittner