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Um die jüngsten Trends in den sozialen Netzwerken ging es auch in diesem Jahr wieder auf der Social Media Week in Hamburg
Um die jüngsten Trends in den sozialen Netzwerken ging es auch in diesem Jahr wieder auf der Social Media Week in Hamburg (Foto: dpa / pa / Christian Charisius)
26.02.2016

5 Eindrücke von der Social Media Week in Hamburg

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Was tut sich in den sozialen Medien? Welche Trends und Themen müssen Medienmacher auf dem Schirm haben? Darüber wurde fünf Tage lang auf der Social Media Week in Hamburg diskutiert. Eindrücke von der Digitalkonferenz.

Radikaler Wandel – Stichwort „Disruption“

Ein Begriff ist auf der Social Media Week immer wieder zu hören – die Rede ist von “Disruption”. Gemeint ist ein radikaler, schlagartiger und ziemlich gnadenloser Wandel in Wirtschaft und Medien, bedingt durch die Digitalisierung. Marc Nabinger von der Agentur Carat betont in seiner Keynote: Die großen Akteure in diesem Prozess heißen Airbnb, Uber, Amazon und Netflix; traditionelle Marken tun sich dagegen schwer mit den Umbrüchen.

Was lernen etablierte Medienhäuser daraus? Sie sollten sich nicht auf ihrem starken Namen ausruhen, sondern den digitalen Wandel offensiv mitgestalten. Sonst verlieren sie eher früher als später den Anschluss an die Konkurrenz. Dazu muss sich auch in den Redaktionskulturen einiges ändern: Auf den Hamburger Panels wird das unter dem Schlagwort “Digital Leadership” diskutiert. Führungskräfte sollten “disruptiv denken und handeln”, sagt etwa Christiane Brandes-Visbeck von Ahoi Consulting. Und sie sollten den Mitarbeitern Freiräume geben, um Dinge auszuprobieren und Ideen zu testen.

Ein Aspekt scheint mir dabei besonders wichtig: Unternehmen und Medienhäuser müssen sich eine höhere Fehlertoleranz zulegen. Gerade auf neuen Social-Media-Kanälen wird nicht jedes Projekt funktionieren. Egal! Auch daraus lässt sich lernen.

Und wir? Das Deutschlandradio betreibt mit dem Lab eine Art Mini-Thinktank für journalistische und technische Innovationen. Im Januar dieses Jahres wurde bei uns der Bereich Audience Development geschaffen (zuständig sind hier Nina Scholz und der Autor dieses Textes). Wir experimentieren zum Beispiel mit Bewegtbild, Livestreaming via Periscope, Audio-Distribution via Spotify und dem Konkurrenzdienst Deezer, perspektivisch auch mit Whatsapp und anderen Plattformen.

 

Was tun gegen den Hass im Netz?

Die Flüchtlingsdebatte, AfD, Pegida – auch 2016 tobt der Hass im Netz, vielleicht noch stärker als im Vorjahr. Auf der Social Media Week ist der Umgang damit ein großes Thema. Gleich mehrere Veranstaltungen kreisen um diese “toxische” Kultur im Internet, wie es Deanna Zandt nennt. Die US-amerikanische Buchautorin und Digitalberaterin schildert in ihrer Keynote die blanke Empathielosigkeit vieler Nutzer. Und sie fordert: “Stop being such a jerk on the Internet”.

Franziska von Kempis von der Agentur Mesh Collective arbeitet mit Youtubern, die ein junges Publikum bespielen, auch mit politischen Themen. Sie rät: Den Kampf gegen Hass im Netz sollten wir nicht bloß Plattformen wie Facebook oder Youtube überlassen. „Jeder, der im Netz unterwegs ist, hat eine Verantwortung.“ Begegnen könne man Hasspostings mit Fakten, Infos und Quellen. Auch mit speziellen Erklärstücken lässt sich manchen Trollen der Wind aus den Segeln nehmen – etwa zur Unterscheidung von Israelkritik und Antisemitismus oder zu der Frage, warum Flüchtlinge ein Smartphone brauchen.

 

Auf die Plattformen – Distributed Content

„Wichtich is‘ auf’er Webseite“ heißt eine Veranstaltung, in der vor allem Marketingleute sitzen. Die Teilnehmer wollen möglichst viele Nutzer über soziale Netzwerke auf die eigene Homepage locken. Dort werden Produkte verkauft oder Newsletter-Abos an den Mann gebracht.

Und wie sieht es für uns Medienschaffende aus? Können wir uns die Fixierung auf die Homepage, die es ja auch in unserer Branche gibt, noch leisten? Fest steht jedenfalls: Viele insbesondere jüngere Nutzer bewegen sich nur noch auf ihren Apps und sozialen Kanälen – und kämen nicht im Traum auf die Idee, die Startseite eines Mediums wie Spiegel Online oder Deutschlandfunk zu besuchen, um sich dort zu informieren.

Wenn wir Journalisten diese Nutzer erreichen wollen, müssen wir unsere Inhalte auf den entsprechenden Plattformen anbieten – und das maßgeschneidert für den jeweiligen Kanal. Das Schlagwort lautet „Distributed Content“. „Die journalistischen Formate sollten permanent für die einzelnen Plattformen angepasst und verbessert werden“, sagt Thomas Roß vom NDR in einer informativen Einführung in das Thema. Das bekannteste Beispiel für „Distributed Content“ sind die Instant Articles von Facebook. Die „New York Times“ konnte ihre Interaktionsraten damit massiv steigern, berichtet Roß.

Und auch die Tagesschau macht vor, wie man einzelne Kanäle maßgeschneidert bespielt. Leonie Grabler und Birgit Klumpp produzieren für den Instagram-Account der Tagesschau 15-sekündige Videoclips. Diese Mini-Videos mit extrem kondensierten Geschichten sollen als eigenes Format funktionieren, erzählen sie bei ihrer Präsentation, nicht als Teasing auf tagesschau.de oder für die Sendung im linearen Programm.

 

Macht es sichtbar – Visual Trends

Die Tagesschau steht mit ihren Instagram-Aktivitäten exemplarisch für eines der zentralen Themen auf dieser Social Media Week: Der Stellenwert von Bild und Bewegtbild ist enorm gewachsen. „Der Iconic Turn wird im Internet auf die Spitze getrieben“, sagt der Instagram-Manager Heiko Hebig auf einem Panel. Das Interesse an Publishing-Strategien für Kanäle wie Instagram, Periscope und Snapchat ist entsprechend groß. Manche bespielen diese Plattformen schon sehr professionell. Anderswo herrscht noch Unsicherheit: Welche Bildästhetik erwarten Nutzer auf einem Kanal wie Instagram? Welche juristischen Fallstricke gilt es bei Livestreamingdiensten wie Periscope zu beachten? Passt ein Kanal wie Snapchat zu meiner Medienmarke und wie lassen sich dort Geschichten erzählen? Die Diskussion ist in vollem Gange.

 

Und was ist mit Audio?

Alle reden über Bilder und Videos – deutlich geringer ist das Interesse auf der Social Media Week am Thema Audio. Vom neuen Podcast-Boom ist hier wenig zu hören. Woran mag das liegen? Und warum haben es Audio-Inhalte in sozialen Netzwerken generell schwer? Der Kommunikationsberater Lukas Adda hat mir diese Frage spontan beantwortet – mit einem Statement auf der neue Audio-Blogging-App Anchor. Er sieht vor allem die Notwendigkeit von Kopfhörern als hohe Hürde für die Nutzung von Audio-Content im Netz.

Eine recht profane Erklärung für das Desinteresse an Audio-Themen auf der Social Media Week hat Tobias Schwarz von den Netzpiloten. „Hamburg ist eine Agenturstadt, es geht hier ums Geldverdienen – darum ist Audio kein großes Thema“, sagt er mir am Rande einer Veranstaltung. Dennoch – und das ist erfreulich – sieht auch Tobias Schwarz eine große Zukunft für Podcasts. Die Qualität steige, die Erreichbarkeit werde besser. „Innerhalb der nächsten Jahre kommt das Zeitalter der Podcasts.“