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Screenshot: iTunes Podcasts
Screenshot: iTunes Podcasts
17.11.2015

Kuratieren is the new Social Media

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Beim Podlove Podcast Workshop in Berlin ist ein zentrales Thema das Kuratieren von Podcasts – die gezielte, auf den Nutzer ausgerichtete Auswahl von Beiträgen. Das Öffentlich-rechtliche Radio NPR in den USA macht es mit Apps wie „NPR One“ und „Earbud.fm“ vor. Der Bayerische Rundfunk arbeitet daran und dreht das Kuratieren weiter, auch wir wollen in diese Richtung – und mehr.

„Kuratieren“, so Podcastmacher @eazyliving von @hoersuppe beim Podcast Workshop, „is the new Social Media“. Recht hat er, aber: Was heißt das?

Das Grundproblem ist die schier unüberschaubare Masse an Audios, Podcasts, Videos, Informationen im Netz. Das ähnelt stark der heimischen Festplatte, auf der Abertausende Digitalfotos schlummern, die nie zu „echten“ Fotos auf Papier werden werden.

Allein das Deutschlandradio bietet zurzeit 113 Podcasts an. Sendungen und die Einzelbeiträge. Wir bieten sie an auf unseren Seiten, bei iTunes, Spotify (coming soon), TuneIn und anderen Plattformen. Und sind dabei nicht allein. iTunes pflegt eine Top 200 Liste, weltweit dürften es Zehntausende sein.

NPR One Screenshot (NPR)

NPR One Screenshot (NPR)

NPR – das National Public Radio in den USA, berühmt durch den Podcast „Serial“ und seriöses Urgestein des amerikanischen Rundfunks – hat reagiert mit „NPR One“. Einer minimalistischen App, die sowohl den Livestream als auch Audiovorschläge anbietet. Der Clou: Es sind auch RedakteurInnen, die die Auswahl treffen. Auch, weil die App zusätzlich durch einen Algorithmus die Vorlieben des Nutzers „lernt“ und immer bessere Vorschläge macht.

Screenshot: earbud.fm, NPR

Screenshot: earbud.fm, NPR

Ähnlich funktioniert das bei NPRs „earbud.fm“ – nur einen Schritt weiter. Neben erfahrenen Redakteurinnen wurden über 6000 HörerInnen nach ihren Lieblingspodcasts bei NPR gefragt. Aus dieser Kombination hat das NPR-Team dann Rubriken gebaut wie „Erzähl‘ mir eine Geschichte“, „Mach meinen Tag schöner“, „Lass uns über Sex reden“, usw. Und täglich wird die Empfehlungsliste neu angepasst. Aufwendig. Aber viel nutzerfreundlicher geht es wohl kaum.

Außer, der/die Hörerin kann auch selbst in das Auswahl-Geschehen eingreifen. Es gab vor Jahren mal Webseiten und Apps, die „personalisierbar“ waren: Sag mir, was du willst, und dann siehst du/hörst du nur das. Doch wir alle tendieren zu einer gewissen Bequemlichkeit, weshalb dieses Modell nie wirklich den Durchbruch geschafft hat.

Ein kleines Team beim Bayerischen Rundfunk will das ändern: Personalisieren durch eigene Wunschauswahl, Algorithmen UND das Kuratieren durch die Fachredaktion sollen den HörerInnen die perfekte auf sie zugeschnittene Podcastauswahl anbieten – jederzeit anpassbar. Daniel Büchele (@danielbuechele) stellte das Projekt beim Podcast Workshop in Berlin vor.

Screenshot der geplanten BR-App, Quelle: Daniel Büchele, Bayerischer Rundfunk

Quelle: Daniel Büchele, Bayerischer Rundfunk

 

Und das Deutschlandradio? Auch wir sehen in der Kuratierung großes Potenzial. Weshalb wir genau daran arbeiten. Geplant ist eine Newsletter/Kuratierter Podcast-Kombination. Denkbar wären beispielsweise Formate wie diese (Logoentwürfe zur Illustration):

Dossier Logoentwurf

Foto: dpa, Grafik: Deutschlandradio Lab

Ein Podcastlogoentwurf mit weißen Kopfhörern und em DLF-Logo sowie dem Titel "Das Beste aus unserem Programm"

Foto: dpa, Grafik: Deutschlandradio Lab

Warum das Ganze mit Newslettern bewerben? Weil das vermeintlich veraltete Werbe-Format nach wie vor sehr viele Menschen erreicht bzw. wieder erreicht. Voraussetzung: eine kuratierte, persönlich gehaltene Handschrift der Redaktion bzw. des/der betreuenden RedakteurIn.

Ein ersten Schritt sind DLF und DKultur bereits gegangen: Wir haben Reihen aus einer Sendung in einen eigenständigen Podcast gepackt und den Podcastplattformen angeboten.

Logo des Podcasts "Neues Zuhause - Geschichten vom Ankommen"

Foto und Grafik: Deutschlandradio Kultur

Logo der Reihe "Einstein auf dem Prüftstand"

Foto: dpa Grafik: Deutschlandradio Lab

„Einstein auf dem Prüfstand“ des DLF schoss prompt binnen 48 Stunden auf Platz 1 der Wissenschafts- und Medizinkategorie bei iTunes und hielt sich lange in den Top 10 aller deutschen Podcasts der Plattform. Ein ermutigender Erfolg für die Wissenschaftsredaktion, wir arbeiten bereits am nächsten Reihen-Podcast.

Nonlineare Podcasts?

One more thing: Warum bilden wir eigentlich „nur“ lineare Sendungen und Beiträge ab? Warum produzieren wir nicht auch eigenständige Podcastformate, die nicht den Zwängen der Sendezeitbeschränkung unterliegen? Die auch etwas aufwändiger produziert werden können? Deren journalistische und erzählerische Dramaturgie das gewohnte „Text-O-TON-Atmo-Text-O-TON-Atmo“-Prinzip aufbricht? Und als Modell dienen kann für eine neue Darstellungsform auch für lineare, „konservative“ Formate?

So viel sei verraten: Am Prototyp wird, noch während ich diese Zeilen schreibe, aktiv gearbeitet.

Wir halten Sie auf dem Laufenden.