Konferenzen, Radio, Social Media
Teilnehmer der 11. Tutzinger Radiotage vom 21. Bis 23. Juni 2015 (Von: radiotage.wasmitmedien.de/2015/
10.07.2015

Tutzinger Radiotage suchen Strategien fürs Digitale

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„Recherchieren, erzählen, teilen“ – so lautete das Motto der 11. Tutzinger Radiotage vom 21. Bis 23. Juni 2015. Ann-Kathrin Büüsker war für das Deutschlandradio mit dabei und hat beobachtet, dass vor allem das Internet mal wieder dominierendes Thema war. Ihre Eindrücke, mit Blick auf unsere Programme…

Zugegeben, das Thema „Internet“ ist nun wirklich kein neues für die Medienwelt und wird wieder und wieder auf Konferenzen diskutiert. Dennoch besteht im Alltagsgeschäft selbst noch erheblicher Nachholbedarf was die Funkhäuser und ihre Strategie angeht und insbesondere was viele Redakteurinnen und Redakteure angeht.

Vor allem letzteres griff Schiwa Schlei (ehemals Onlinechefin 1Live, jetzt Online- und Wortchefin Funkhaus Europa) in ihrem Vortrag zur Zukunft des Radios im Netz auf und forderte uns Radiomacher auf „online zu leben“. Das heißt, die Netzwerke, über die wir unsere Inhalte verbreiten, tatsächlich auch im Alltag zu nutzen. Nicht nur sporadisch, sondern sehr regelmäßig. Denn: Nur wer die Netzwerke kennt und versteht, kann auch Formate für sie entwickeln, so Schleis Begründung.

Diese Formate zu entwickeln ist aus ihrer Sicht dringend notwendig, denn unterschiedliche soziale Netzwerke erfordern eine andere Art der Aufbereitung der Inhalte. Tumblr, Whatsapp und Instagram (beliebt bei jüngeren NutzerInnen) müssen alle ganz unterschiedlich bespielt werden und auch Facebook und Twitter (mittlere bis ältere Zielgruppe) erfordern spezielle Kniffe.

Ein Beispiel: Die bisherige Strategie des Deutschlandradios bei Facebook und Twitter ist, auf Manuskripte zu verlinken, die wir auf unserer Internetseite veröffentlicht haben – eine nicht speziell auf das Netzwerk zugeschnittene, sondern pragmatische Weise. Diese Art der Aufbereitung funktioniert bei Instagram nicht, weil man hier keine klickbaren Links einfügen kann. Will man hier also Inhalte teilen, muss man sie dem Netzwerk entsprechend aufbereiten. Das funktioniert nur dann, wenn man weiß, wie Instagram funktioniert und genutzt wird. Das Wissen um die Unterschiedlichkeit der Kanäle ist die Basis einer guten Digitalstrategie.

 

Screenshot_Ann-Kathrin 2015-07-09

Text und ein nicht funktionierender Link eines Instagram-Posts des Deutschlandfunks

Es gibt kein Patentrezept dafür Formen für unterschiedliche Netzwerke zu finden. Hier hilft nur auszuprobieren, wie es der Deutschlandfunk derzeit bei Instagram tut. Nur auf diese Weise können wir lernen, was funktioniert und was vielleicht auch nicht. Wir sollten unbedingt weiter experimentieren und aus meiner Sicht sogar noch viel mehr ausprobieren, denn nur auf diesem Wege kann es uns gelingen neue Zielgruppen zu erreichen.

 

Das Alleinstellungsmerkmal des Deutschlandradios sind hervorragend recherchierte und produzierte Inhalte, aber wenn wir im Netz nicht präsent sind, verpuffen sie irgendwann im Nichts.

Radio, egal ob UKW oder DAB+, ist nicht das Medium der nachwachsenden Generation. Ihr Hauptmedium ist das Internet, was auch Christian Vogg von der European Broadcasting Union (EBU) bei den Radiotagen noch einmal deutlich gemacht hat. Präsenz im Netz ist wichtig, damit unsere Inhalte tatsächlich gefunden und gehört werden. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Leute von selbst zu uns kommen, wir müssen zu ihnen kommen, Teil ihres Social Stream werden.

 

Auch die Teilbarkeit unserer Inhalte innerhalb dieser Streams ist wichtig – ganz im Sinne des Tutzinger Mottos.

 

 

 

Was das Teilen angeht sind Audios im Netz grundsätzlich benachteiligt, was auch an technischen Voraussetzungen liegt. Soundcloud war ein Versuch, der sich nicht etabliert hat, ansonsten sind die Möglichkeiten begrenzt. Facebook hat bislang gar keine Möglichkeit geschaffen, Audios einzubinden (Was sich laut Heiko Hebig, Manager für Plattform-Partnerschaften bei Facebook, bald ändern könnte).

Bei den Radiotagen und insbesondere im Rahmen der Arbeit am begleitenden Blog haben wir viel darüber diskutiert, wie man dies ändern könnte. Auch hier gibt es leider keine Patentlösung. Manuskripte, Videos mit Standbild, Audioslideshows, Storytellingtools wie Pageflow – alles Möglichkeiten, die aber von der eigentlichen Audioform wegführen und zum Teil erhebliche Mehrarbeit bedeuten. Audio alleine funktioniert nicht, die Teilbarkeit lebt (bislang) von der Verknüpfung mit optischen Inhalten. Umso wichtiger ist eine gute Bebilderung von Themen – idealerweise mit authentischen (und guten) Bildern, die AutorInnen von ihren Recherchen mitbringen.

Während Audios online nicht alleine funktionieren, sollten wir uns on air wieder stärker darauf konzentrieren und auf gutes Bauen fokussieren – so ein weiteres Fazit der Radiotage, wenn es um das Erzählen geht. Kino im Kopf, das ist die absolute Stärke unseres Mediums, die uns keiner nachmachen kann. Unsere drei Programme haben das Glück, viele Sendeplätze für Reportagen und atmosphärische Stücke zu haben – und die sollten wir uns auch erhalten, vielleicht sogar weitere Formen finden Atmosphärisches einzubinden? Aktuell gibt es eher eine Tendenz zu mehr Gesprächen und Interviews – schade eigentlich!

 

 

Zum Schluss noch ein ganz persönliches Fazit: Die Radiotage haben mir viele neue Impulse und neuen Schwung gegeben. Umgeben von lauter RadioliebhaberInnen über das eigene Medium und seine Möglichkeiten zu sprechen, kann unglaublich produktiv, kreativ und wohltuend sein. Ein bisschen von dieser Arbeitsatmosphäre wünsche ich mir auch für den normalen Alltag. Vielleicht sollten wir uns öfter mal gegenseitig sagen, wie toll Radio eigentlich sein kann.

 

Weitere Eindrücke, Interviews und Details aus den Workshops gibt es im bereits erwähnten Blog: http://radiotage.wasmitmedien.de/2015/

Besonders empfehlenswert: 10 Fehler, die Radiosender bei ihrer Digitalstrategie machen können – http://radiotage.wasmitmedien.de/2015/06/22/fehler-in-der-digitalstrategie/