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Ausschnitt Webdoku "Wem gehört Deutschland?"
06.10.2014

Interaktive Webdokus mit Klynt

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Geschichten lassen sich auf unterschiedliche Arten und Weisen erzählen. Das Radio zum Beispiel hat seine Stärke in der linearen, rein akustische Erzählform. Im Netz sind noch ganz andere Formen möglich. Mit interaktiven Webdokus hat der Nutzer hier selbst die Macht darüber, in welchem Erzähltempo er welchem Erzählstrang folgen möchte. Die Volontäre des Deutschlandradios haben die Webdoku-Software Klynt getestet und ihr Projekt „Wem gehört Deutschland?“ interaktiv umgesetzt.

Für „Wem gehört Deutschland?“ waren wir eine Woche lang zwischen Berlin und Köln unterwegs. Was Eigentum bedeutet und wie es sich auswirkt, wem etwas gehört, haben wir in verschiedenen Geschichten erzählt. Geschichten vom Haben, Verlieren und Bekommen.

Die Ergebnisse unserer Recherchen sollten aber nicht nur im Radio zu hören, sondern auch im Netz zu sehen sein. Wir wollten eine interaktive Webdoku bauen, in der unsere Geschichten noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise erlebt werden können. Herausgekommen ist die Webdoku „Wem gehört Deutschland?“

 

Wem gehört Deutschland?
(Haben Sie eine langsame Internetverbindung, benutzen Sie bitte diesen Link)

 

Schon bevor unsere eigentliche Recherche vor Ort startete, mussten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir am Ende die Geschichten erzählen wollen. Welche Atmos könnte es geben, die wir aufnehmen sollten? Welche Bilder (seien es Fotos oder Videos) müssen wir machen? Wie können die verschiedenen Erzählstränge miteinander vernetzt werden?

Material sammeln

Für unsere Recherche haben wir uns in zwei Teams à drei Personen aufgeteilt. Das hat sich am Ende bezahlt gemacht, denn so konnten wir unser Material sammeln und mussten uns nicht auf drei Aufgaben zugleich konzentrieren. Ein Kollegen sprach mit den Protagonisten und führte Interviews, ein zweiter nahm Atmo auf und ein dritter machte gleichzeitig Fotos und Videos. Auch zu zweit wären diese Aufgaben zu bewältigen gewesen, allein aber mit Sicherheit nicht (oder nicht in dieser Qualität).

Umsetzung in Klynt

Klynt orientiert sich am Audio- oder Videoschnitt. Auf einer Timeline werden alle Elemente angeordnet, mit denen eine Szene komponiert werden soll. So können Fotos mit Atmo und Text kombiniert werden, außerdem Videos und Navigationselemente. Über eine Schnittstelle lassen sich außerdem Webinhalte wie Videos oder Karten einbinden. Diese Elemente laufen linear ab, können in Schleifen gebaut werden oder automatisch zur nächsten Szene überleiten. Klynt liegt die Idee des linearen Ablaufs zugrunde. Im Gegensatz zu Scrollytelling-Webdokus, bei denen kontinuierlich nach unten gescrollt werden muss, navigiert der Nutzer bei Klynt über Links, die er anklickt.

 

Klynt Timeline

Klynt Timeline

Im Storyboard lässt sich der Gesamte Aufbau der Webdoku mit allen Verlinkungen überblicken. Wir haben uns für eine Struktur mit drei Kapiteln zu je zwei Geschichten entschieden. Von ausgewählten Szenen aus können Seitenpfade gewählt werden, die zu Zusatzinformationen führen. Wir haben jedoch schnell gemerkt, dass solche Seitenpfade nicht von der eigentlichen Geschichte wegführen dürfen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Nutzer die Orientierung verliert und das Gefühl bekommt, nicht die komplette Geschichte zu erfahren. Denn diese Übersicht, wie wir sie in Klynt haben, hat der Nutzer nicht. Also lieber eine stärkere Orientierung am Linearen und damit mehr Überblick als völlig frei wählbare Wege und Querverbindungen und damit Unübersichtlichkeit.

 

Klynt Storyboard

Klynt Storyboard

Eine starke Funktion von Klynt ist es, Webdokus responsiv gestalten zu können. Das heißt, egal welches Bildseitenverhältnis mein Abspielgerät hat, egal ob alter Röhrenmonitor oder kleines Smartphone-Display, die Doku kann immer im Vollbild angezeigt werden – ohne schwarze Balken – und passt sich dem Bildseitenverhältnis und der Bildschirmgröße an. Das bedeutet zwar deutlich mehr Arbeit beim Erstellen, denn alle möglichen Formate müssen bedacht werden, gibt aber dem Nutzer mehr Möglichkeiten, die Webdoku anzusehen.

Grenzen von Klynt

Leider ließen sich unsere Ideen nicht immer so reibungslos umsetzen, wie wir uns das gewünscht hätten. Atmo, die in Endlosschleifen laufen sollte, tat genau das nicht. Der responsive Modus verhinderte, dass Bilder mit einem Ken-Burns-Effekt versehen werden können. Beim Abspielen in verschiedenen Browsern geriet die sorgfältig komponierte Choreographie aus dem Takt.

Am Ende mussten wir einige Einschränkungen hinnehmen, die es in Zukunft hoffentlich nicht mehr geben wird. Die Klynt-Macher selbst empfehlen zur Wiedergabe den Internet Explorer. Für alle anderen Browser übernehmen sie keine Garantie, da es dort zahlreiche Probleme gibt, die noch nicht behoben wurden.

Die Software Klynt wird von einem kleinen französischen Studio entwickelt und hat einige Bugs, mit denen wir leben mussten. Deshalb empfehlen wir jedem Klynt-Nutzer viel Geduld. Denn auch wenn etwas nicht funktioniert, eine Lösung findet sich immer.

Fazit

Klynt ist ein gutes Werkzeug, um – ohne Programmieren zu müssen – aufwändige Webdokus zu erstellen. Dabei kommt es (wie bei jeder Radio-/Fernseh-/Webdoku) darauf an, vorher auch das richtige Material zu sammeln. Mit ein wenig Erfahrung mit Grafikbearbeitung können so recht schnell ganz individuelle Projekte entstehen. Allerdings muss man auch damit rechnen, auf unvorhersehbare Probleme zu stoßen und sich auf Fehlersuche begeben zu müssen.

Manche Funktionen von Klynt sind wenig intuitiv in Untermenüs versteckt, wo man nicht danach suchen würde. Für viele Fragen finden sich glücklicherweise im Klynt-Forum antworten. Und auch die Macher selbst geben Tipps oder schauen sich konkrete Probleme bei Projekten an.

Bisher setzen viele Produzenten darauf, mit Klynt mehrere fertige Filme in einer Übersicht zur Verfügung zu stellen. Das schafft zwar auch ein anderes Nutzungserlebnis, als eine Liste von Links auf einer Webseite. Es reizt aber bei Weitem nicht die Möglichkeiten von Klynt aus und schafft auch nur begrenzte Interaktivität.

Links

Klynt-Website

Mit Klynt erstellte Webdokus

Webdoku „Die Unsichtbaren“ von den Volontären der electronic media school