Apps, Digitalradio
02.06.2014

Gestatten: Die Deutschlandradio Interview-App

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Die meiste Zeit wird in den Programmen von Deutschlandradio gesprochen. Doch der Weg zum Gesprächspartner ist oft weit und verschlungen, denn häufig kommen die Interviewpartner nicht ins Funkhaus, wo ihre Stimme mit hochwertigen Studio-Mikrophonen aufgenommen wird.
Mal sind sie unterwegs, mal in anderen Städten, mal in anderen Ländern. Deshalb entwickelt das Deutschladradio.Lab eine O-Ton-App für Smartphones.

Die „normale“ Telefonleitung bleibt mit ihrem beschränkten Frequenzspektrum von 300 Hz bis 3,4 kHz und der damit verbundenen mäßigen akustischen Anmutung leider noch allzu häufig das Mittel der Wahl für Interviews. Anspruchsvolle Radioprogramme wie die von Deutschlandradio sollten sich damit perspektivisch nicht zufrieden geben.

Das Smartphone hilft Radiojournalisten

Das Deutschlandradio Lab plant deshalb einen Software-Prototypen, der es unseren RadiojournalistInnen erlaubt, O-Töne von Gesprächspartnern auf der ganzen Welt in hochwertiger Tonqualität aufzuzeichnen und zu empfangen. Gelingen soll dies mit einer einfach zu bedienenden Smartphone-App, die etwa O-Töne von Gesprächspartnern in CD-Qualität aufnimmt und anschließend die Aufnahme ins Funkhaus zu weiteren Bearbeitung sendet.

Dieses Pilotprojekt ist möglich, weil Smartphones in nur wenigen Jahren zu unentbehrlichen Begleitern wurden. Vielen ist allerdings kaum bewusst, dass in jedem Smartphone auch ein ausgezeichnetes Gerät für Tonaufnahmen steckt.

Unsere Interview-App soll sich nicht nur durch eine sehr einfache Bedienung auszeichnen, sondern sie wird die Aufnahme in CD-Qualität durch eine simple Touch-Berührung automatisch via Internet / Mobilfunk an das Deutschlandradio schicken. Dort lassen sich die Aufnahmen direkt weiterverarbeiten, etwa als O-Töne in Beiträgen.

Hochwertige Audioaufnahmen automatisch in die Cloud senden

Dieses Projekt ist nur ein erster Schritt, in dem es schwerpunktmäßig um die Aufzeichnung von Gesprächen geht. Die Übertragung von Live-Gesprächen, aber auch das Smartphone als Werkzeug für die aktuelle Hörerbeteiligung möchte das Deutschlandradio Lab mit weiteren, zukünftigen Prototypen realisieren.

Die Interview-App wird unsere journalistische Arbeit erleichtern. Sie soll dabei helfen, Ressourcen im Personal- und Studiobereich zu schonen, sowie Interviews unabhängig von gebuchten Studioleitungen führen zu können.

Im Unterschied zu verbreiteten Smartphone-Apps, die als einfache Audiorekorder dienen, wird die Deutschlandradio Interview-App besonderen Wert auf die Tonqualität von Sprachaufnahmen legen. Ziel ist es, dass die Software automatisch das Android-Smartphone erkennt, auf dem sie gestartet wird und selbständig die besten Audio-Aufnahmeparameter für das jeweilige Smartphone festlegt.

Optimale Tonqualität durch besondere Aufnahmeverfahren

Mit Hilfe von psychoakustischen Algorithmen wird das Aufnahmeergebnis der Deutschlandradio Interview-App hörbar besser klingen, als Aufnahmen, die mit Hilfe herkömmlicher „Audio Rekorder Apps“ entstanden sind.

Aber bitte Vorsicht vor überzogenen Erwartungen! Wir experimentieren zunächst mit einem Prototypen. Programm-MitarbeiterInnen, die sich ab Sommer an der Testphase der App beteiligen möchten, können ihr Interesse in den Kommentaren bekunden.

In diesen Tagen werden wir die Entwicklung eines ersten, funktionsfähigen Prototypen beauftragen. Erste vorzeigbare und vor allem „hörbare“ Ergebnissen möchten wir ab Sommer 2014 – auch an dieser Stelle – präsentieren.

Kommentare zu diesem Beitrag (8)

  1. Ralph Seidler | 10. Juni 2014, 10:58 Uhr

    Mobiler Qualitätsjournalismus

    Lieber Kollege,

    ich weiß, daß das „Radiomachen“ immer schneller und schlanker werden soll. Der Trend ist unüberseh(-hör?)bar und trotz des „Coolness“-Faktors, weil man den Kollegen vom japanischen Rundfunk ja auch schon mal mit einem iPhone hat senden sehen, sollte von diesen Ideen Abstand genommen werden, Denn:
    Vorschläge, nun mit dem Drahtlostelefon die Tonaufnahmen unserer Programme, die im deutschen Sprachraum noch ungeschlagene Audioqualitäten zeigen, anfertigen zu wollen, halte ich gelinde gesagt für einen verspäteten Aprilscherz.

    Gründe:
    -Die in Mobiltelefonen verbauten „Mikrofone“ sind optimiert für eine Telefonsprachverbindung entsprechend dem G 711-Codec und nicht für eine Aufnahme in höherer als über traditionelles ANG herstellbarer Audioqualität.
    – Diese Mikrofone weisen eine Kugelcharakteristik auf, die für den geschilderten Einsatzzweck „Interview“ denkbar ungeeignet sind.
    – Wegen des für die Telefonie verwendeten Codecs wird unterhalb 200 Hz sowieso alles „abgeschnitten“. Da fehlt dann schon einiges, was wir gerne senden würden.
    – Die in Handys verbauten Vorverstärker sind keineswegs geeignet, akzeptable Qualitäten zu erzeugen, Grund siehe oben.
    – Externe Mikrofone für Smartphones, wie sie in letzter Zeit angeboten werden (und dann eine Nierencharakteristik aufweisen) scheinen ebenfalls keine verwendbare Tonqualität zu übertragen, auch sind sie schwierig zu handhaben.
    – Diese externen Mikrofone werden an den analogen, unsymmetrischen Anschluß des Smartphones angesteckt, mit all den Nachteilen, die diese Anschlüsse bieten (vor allem zu beachten: Einstreuungsgefahr! Denn nur Zentimeter entfernt befindet sich ein starker Sender-eben das Smartphone!)
    – Anschlußboxen, an denen man hochwertigere Mikrofone an symmetrischen Anschlüssen betreiben könnte scheiden aus, weil der Transport- und Aufbauvorteil damit wieder zunichte gemacht wird. Dann kann besser gleich ein professionelles Aufnahmegerät verwendet werden.
    – Das „schnelle“ Versenden per E-Mail kann, abhängig vom Aufenthaltsort, den dortigen Providern und vielen anderen Gründen auch enorme Verzögerungen aufweisen-Vorteil dahin.
    – Wo schon bei der Herstellung der Aufnahme so einiges fehlt, wie oben beschrieben, kann auch das beste psychoakustische Verfahren nichts mehr herausholen.
    – Auch, beim Einsatz eines Apple-Telefons, sehr zu bedenken: iPhones werden aus gutem Grund (Sicherheitsbedenken) nicht von unseren EDV- und Systemtechnikern empfohlen und auch dienstlich nicht zur Verfügung gestellt. Jetzt wollen wir damit Audio aufnehmen und versenden? Ob die Google/Android- Kombination da wesentlich sicherer ist, bleibt zu bezweifeln.

    Tatsächlich, Herr Kollege, als „Tonmensch“ habe ich keinerlei überzogene Erwartungen bezüglich dieser Idee.
    Langfristig deutlich erfolgreicher wäre wohl eine umfassende Ausstattung der Korrespondenten und Autoren mit zeitgemäßen, professionellen Aufnahmegeräten und wiederholte, auffrischende Schulungen in der Handhabung.

    Unbenommen davon wünsche ich einen schönen Tag!
    Ralph Seidler, Hauptstadtstudio

  2. Frank Schönsee | 10. Juni 2014, 12:49 Uhr

    Gute Sache !

    Hey Tarik,
    ich finde es gut, das Ihr Euch Gedanken macht, wie man Smartphones im aktuellen Radiobetrieb sinnvoll einsetzen kann. Eine verbesserte Tonqualität in einzelnen Fällen ist schon jeweils ein Erfolg. Der automatische Versand der Datei nebst Konvertierung und Auffindbarkeit im dira! System sind doch eine Riesen Sache. Auch für die Live – Berichterstattung glaube ich an zügige Fortschritte – siehe Luci App . Also dran bleiben – Ich freu mich drauf ! Und lass mal hören!
    Grüße von Frank

  3. Tarik Ahmia | 10. Juni 2014, 12:58 Uhr

    Lieber Ralph Seidler,

    vielen Dank für das Feedback und die Kritik aus tontechnischer Sicht. Vielleicht kann ich aber in aller Kürze etwas zur Beruhigung beitragen, da ich in der geäußerten Besorgnis einige Missverständnissen zu erkennen glaube. Ziel der App ist es nicht, professionelle Aufnahmetechnik, Korrespondenteninterviews oder Interviews via Studioleitung durch „billige“ Smartphones zu ersetzen. Die App soll genau da zum Zuge kommen, wo die gewohnten Mittel nicht greifen und so eine Lücke schließen.

    Konkret: Die Tonqualität von Interviews, die nicht live gesendet werden und trotzdem über eine normale Telefonleitung aufgenommen werden, wird sich mit dieser App verbessern lassen. Bei aller Kritik an der möglicherweise nicht optimalen Aufnahmequalität von Smartphones: Die mit einem Smartphone aufgenommene Stimme wird um Längen besser klingen als eine Stimme über eine „normale“ Telefonleitung.

    Eine bessere Lösung soll die App auch in all den Fällen anbieten, in denen ein Interviewpartner möglicherweise weit entfernt unterwegs ist und auch keine Zeit hat, extra in ein Hörfunkstudio zu kommen. Die Erfahrung zeigt, dass viele interessante O-Töne den Autorinnen verloren gehen, weil sie den Gesprächspartner nicht „vors Mikro“ bekommen. Auch in dieser speziellen Situation soll die App helfen.

    Die Vermutung, die Aufnahmequalität einer Stimme via Smartphone sei generell nicht gut genug, trifft nicht zu. Es ist korrekt, dass die Voreinstellungen für die Aufnahme bei vielen Telefonen ab Werk nicht optimal sind. Aber genau diesen Punkt werden wir mit der App adressieren, indem die verwendeten Codecs und Algorithmen zu einer hörbaren Verbesserung der Aufnahmequalität beitragen.

    Das Deutschlandradio Lab möchte Wege erkunden, die im Rahmen unserer Arbeit bisher noch nicht beschritten wurden. Die Interview-App ist ein Mosaiksteinchen in diesem Vorhaben. Sie ist vorerst nur ein Experiment, um die Arbeit von Hörfunk-JournalistInnen mit Hilfe des technischen Fortschritts, der längst im Alltag eingezogen ist, zu erleichtern. Mit diesem Vorsatz bitte ich noch um etwas Geduld bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir etwas Konkretes in der Hand haben und Sie die App auch persönlich ausprobieren können. Ich freue mich schon jetzt auf Ihre Verbesserungsvorschläge!

    Herzliche Grüße
    Tarik Ahmia

  4. Conrad Zelck | 16. Juni 2014, 11:24 Uhr

    Gute Idee

    Moin, moin,

    ich finde dies eine großartige Idee. Und das ausdrücklich obwohl ich Tontechniker beim NDR bin (jedoch beim Fernsehton). Wie oft höre ich Ihr (und unser) Programm und ärgere mich über qualitativ schlechte O-Töne via Festnetztelefon oder gar Handynetz (z.B. auch von Korrespondenten aus dem Ausland). Dabei ist die grundsätzliche Qualität eines Handies gar nicht schlecht.

    Ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik ist auch erstmal nicht grundsätzlich ungeeignet für Interviews. Das ist meistens nur eine Frage des Abstands des Sprechers zum Mikrofon und der ist bei Smartphones typischerweise sehr gering. Dafür hat ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik keinen unangenehmen Nahbesprechungseffekt. Außerdem ist diese Charakteristik sehr viel unempfindlicher für Wind- und Popp-Geräusche.

    Das es kein Ersatz für einen ausgebildeten Tonmenschen ist, ist hoffentlich allen klar. Aber diese App statt einer schlechten Telefonverbindung zu nutzen, finde ich eine sehr gut Idee, die auch gerade Tonmenschen interessieren sollte. Was mir dabei auch gefällt, ist die Anbindung an den Wellenspeicher.

    Ich würde mich freuen, wenn diese App bei Eignung auch für andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten nutzbar wäre. Das bedürfte zwar regelmäßiger Pflege bei der Vielzahl der Speicher (und natürlich bei der Programmierarbeit) aber würde uns Öffentlich-Rechtlichen gut zu Gesichte stehen – eine App für alle Sender.

    Ich freue mich schon darauf, mehr davon zu hören.
    Gruß, Conrad Zelck

  5. Tarik Ahmia | 16. Juni 2014, 11:35 Uhr

    Außerdem...

    Lieber Conrad Zelck,
    vielen Dank für den ermutigenden Kommentar. Ergänzend möchte ich zur Mikrofoncharakteristik hinzufügen, dass wir als eines der Aufnahmeszenarien mit einem Gesprächspartner anstreben, dass ein Nutzer mit der App gleichzeitig aufnehmen UND Telefonieren können soll. Der Gesprächspartner hält das Handy dann also wie in einer „normalen“ Telefonsituation und spricht im optimalen Abstand in das Mikro. Seine Stimme wird via Telefonverbindung übertragen während gleichzeitig die App im Hintergrund diese Stimme in der gewünschten hohen Qualität aufnimmt. Anschließend soll die HQ-Aufnahme via WLAN / Mobilfunk verschickt werden. Soweit zumindest die Theorie…. 😉

  6. Thomas Reintjes | 17. Juni 2014, 17:33 Uhr

    Interessensbekundung

    Das ist eine tolle Initiative und ich würde den Prototypen gerne ausprobieren. Allerdings habe ich kein Android-Smartphone.

    Die Entscheidung für Android finde ich aus zwei Gründen überraschend: Zum einen habe ich mehrfach gehört, dass in Apple-Geräten bessere Mikrofone verbaut seien. Zum anderen erscheint es unmöglich auf die Charakteristiken der mehr als 10.000 verschiedenen Geräte (http://opensignal.com/reports/fragmentation-2013/) Rücksicht zu nehmen.

    Bei NPR in den USA arbeitet man mit den Report-IT-Apps der Firma Tieline. Auch diese erlauben eine Live-Verbindung mit gleichzeitigem lokalen Aufzeichnen und späterem Upload, wenn ich das richtig sehe. Sind diese und andere bestehende Lösungen (Luci wurde ja bereits erwähnt und ließe sich bestimmt um eine Uploadfunktion erweitern) nicht zufriedenstellend? Ich höre auch bei NPR noch sehr viele Telefon-O-Töne, also scheint die Sache einen Haken zu haben…

  7. Georg Holzmann | 20. Juni 2014, 10:56 Uhr

    Kooperationsmöglichkeit

    Hallo!

    Wir möchten uns da natürlich gerne an der Testphase beteiligen.

    Wir haben so ein ähnliches Projekt gestartet, dass vorallem von Podcaster verwendet wird: Auphonic [1].

    Dabei haben wir auch eine Android [2] und iOS [3] app entwickelt, wo besonders auf die Qualität bei Sprachaufnahme geachtet wurde.
    Diese ist open source und den code dazu gibt es auf github [4].

    Das eigentliche Herzstück unseres Systems ist aber das Auphonic Web Service.
    Dort werden die rohen Sprachaufnahme der app hingeschickt und algorithmisch verarbeitet:
    Adaptive Lautstärkenanpassungen, Lautheitsnormierung (EBU R128), Filterung, Rauschunterdrückung (bei Bedarf), etc. Einige Beispiele dazu findet man hier [5].
    Danach können die bearbeiteten Audiodateien noch in mehrere Formate konvertiert werden (MP3, AAC, Opus, Ogg, …), richtig mit Metadaten, Kapitelmarken versehen werden und dann automatisch auf verschiedene Server (via (S)FTP, Youtube, Dropbox, Soundcloud, webdav, S3, …) kopiert werden.

    Falls das Deutschlandradio Lab auch Neues auf diesem Gebiet entwickeln will, wären wir da natürlich sehr an einer Zusammenarbeit interessiert, da wir schon einiges an Erfahrung in dem Bereich gesammelt haben.
    Ich bin gerne per mail für weitere Details erreichbar [6]!

    Ich wünsche viel Erfolg bei dem spannenden Projekt!
    LG
    Georg Holzmann
    (von Auphonic)

    [1]: http://auphonic.com
    [2]: https://play.google.com/store/apps/details?id=com.auphonic.app
    [3]: https://itunes.apple.com/app/auphonic/id575204274?mt=8
    [4]: https://github.com/auphonic/auphonic-mobile
    [5]: https://auphonic.com/audio_examples
    [6]: https://auphonic.com/contact

  8. Hans-joachim Riemann | 24. Juli 2014, 8:54 Uhr

    Gerade eine nicht so perfekte Übertagungen, machen den Kommentar interessant.