Konferenzen, Social Media
Volles Haus: Mehr als 6000 Teilnehmer haben sich in Berlin zur re:publica 14 versammelt.
08.05.2014

re:publica 2014: Der allzu große Gemischtwarenladen

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Das Treffen zur digitalen Gesellschaft droht in einem Potpourri thematischer Beliebigkeit zu zerfasern

Was 2007 als kleines Treffen engagierter Blogger anfing, hat sich mittlerweile zum größten Internet-Kongress Europas entwickelt. Vom 6. bis 8. Mai Mai trafen sich mehr als 6.000 Teilnehmer auf der re:publica 14 in dem zum Kongresszentrum umfunktionierten ehemaligen Busdepot am Berliner Gleisdreieck. Auf 30.000 Quadratmeter waren im Lauf von drei Tagen 350 Vorträge zu erleben, die das Internet und seine gesellschaftlichen Auswirkungen aus allen nur erdenklichen Perspektiven betrachteten.

Nicht nur der Auftakt am Dienstag war prominent besetzt: die US-Politik-Aktivisten THE YES MEN hielten unter großem Applaus die Keynote. Andy Bichlbaum und Mike Bonanno wurden durch industriekritische, subversive Aktionen bekannt. Berühmt wurden die Yes Men, als sie sich in einem Fernsehinterview der BBC als Sprecher des US-Chemiekonzerns Dow Chemical ausgaben. Darin kündigten sie an, Dow Chemical werde sein Tochterunternehmen Union Carbide schließen, da das Unternehmen für den katastrophalen Chemieunfall im indischen Bhopoal verantwortlich war. Nach dem Interview bracht der Börsenwert von Dow Chemical kurzzeitig um zwei Milliarden Dollar ein.

Die Yes Men auf der re:publica

In ihrer Keynote gaben die Yes Men dem hörbar amüsierten Publikum einen Ausblick auf ihren neuen Kinofilm „The Yes Men Are Revolting“: Zu sehen war ein Ausschnitt, in dem sich Bichlbaum und Bonanno als Sprecher in eine Konferenz des Ministeriums für „Homeland Security“ einschleichen. Dort halten sie eine Rede für eine bessere Welt und bringen darin die anwesenden Militärs und Sicherheitsberater dazu, in dem Kongresssaal an einem rituellen indianischen Tanz teilzunehmen und so einen Beitrag für eine gute Zukunft zu leisten.

Asyl für Snowden gefordert

Einblicke in die Affaire um Edward Snowden bot die britische Journalistin Sarah Harrison. Die Wikileaks-Sprecherin war monatelang an Snowdens Seite und unterstützte ihn während seiner Flucht vor den US-Ermittlungsbehörden. Harrison beendete ihren Aufritt unter Standing-Ovations der Zuhörer mit dem Appell an die Deutsche Regierung, Edward Snowden Asyl zu gewähren.

Sarah Harrison gewährte auf der re:publica Einblicke in die Arbeit von Wikileaks

Sarah Harrison gewährte auf der re:publica Einblicke in die Arbeit von Wikileaks

Der Vortrag der US-Soziologin Saskia Sassen über den zunehmend außer Kontrolle geratenen Finanzkapitalismus sorgte für großes Interesse. Mit Fakten und Zahlen demonstrierte Sassen, dass der Finanzsektor das ökonomische und gesellschaftliche Gleichgewicht in einem ihrer Ansicht nach nicht mehr tolerierbaren Maß geschädigt habe.

Alles und Nichts

Es gab weitere hochkarätig besetzte Vorträge und Podien, doch die Vielzahl der Veranstaltungen machte auch das Problem des größten re:publica Treffens aller Zeiten deutlich: Die Masse der Angebote ging auf Kosten der Klasse. Denn in dem bunten Angebot war zuviel Banales und Abseitiges dabei. Eine kritische Vorauswahl hätte der re:publica gut getan, ohne dass dies auf Kosten der Substanz gegangen wäre. Stattdessen droht die re:publica in einem Mix thematischer Beliebigkeit zu zerfasern, der gleichzeitig Alles und Nichts bietet. Das diesjährige Programm, dessen Umfang im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent zulegte, hat eben auch den Nachweis erbracht, dass sich die Interessen von “Internet Hipstern” eben nicht en passant mit denen von genuin technologisch versierten Fachleuten unter einen Hut bringen lassen. Mehr thematische Fokussierung und Schwerpunktsetzung ist nötig, damit die Motivation , auch zum nächsten re:publica Treffen zu kommen, erhalten bleibt.

“Into The Wild” war das Motto der re:publica 2014. “Less is more” wäre ein zu beherzender Leitspruch für die Planung der re:publica 2015.

Kommentare zu diesem Beitrag (1)

  1. Kerstin Zarbock | 23. Mai 2014, 12:19 Uhr

    Interessant !

    Im Prinzip war dies ja der Tenor der allgemeinen Berichterstattung. ich hätte mich trotzdem gern selbst davon überzeugt, denn die Livestreams waren eher suboptimal. Auch inhaltlich war ich zum Teil erschrocken, denn was manche Vortragende dort anboten – na ja. Ich hoffe, die Qualität wird besser und man begrenzt sich in der Quantität. VG Kerstin